Aufbau und Funktion
Beim Turbolader differenzieren wir zwei Hauptsysteme, einmal die Stauaufladung, die den Abgasdruck und die Abgastemperatur nutzt sowie die Stoßaufladung welche zusätzlich
die Bewegungsenergie nutzt. Allen Systemen werden heute meistens Ladeluftkühler nachgeschaltet um die durch die hohen Ladedrücke aufgeheizte komprimierte Ansaugluft abzukühlen.
Dadurch steigt der Füllungsgrad des Motors, die Leistung steigt.
Verdichter
Bei den meisten der heute zum Einsatz kommenden Verdichter am Turbolader handelt es sich um Radialverdichter. Die drei Hauptbestandteile dieser Baugruppe sind:
- Verdichtergehäuse - Spiralgehäuse mit Rückwand
- Radialverdichterrad
- Diffusor
Verdichtergehäuse
Der Turbolader-Verdichter besteht aus drei wichtigen Bestandteilen, dem Verdichterrad, dem Diffusor und dem Spiralgehäuse. Durch die Drehzahl des Verdichterrades wird die axial
angesaugte Luft im Verdichterrad auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Die Luft verlässt das Verdichterrad radial. Im Diffusor wird die Geschwindigkeit der Luft weitgehend verlustfrei
verringert, Druck und Temperatur steigen an. Der Diffusor besteht aus der Verdichterrückwand und einem Teil des Spiralgehäuses. In der Volute wird die Luft gesammelt und die
Geschwindigkeit bis zum Verdichteraustritt weiterhin reduziert.
Um das Abknicken der Pumpgrenze und hohen Druckverhältnissen zu vermeiden, werden “Ported Shroud“ (KSM - Kennfeld stabilisierende Maßnahme) Verdichtergehäuse gewählt. Bei dem Ported
Shroud handelt sich um einen Rezirkulationskanal, der stromauf wandernde Ablösungen abführt und vor dem Verdichterrad wieder zuführt. Hierdurch wird die ablösebedingte Versperrung
deutlich reduziert und die Strömung stabilisiert. Darüber hinaus wirkt sich diese Maßnahme positiv an der Stopfgrenze aus. Während im engsten Querschnitt Mach 1 erreicht wird und
der Verdichter stopft, leitet der Rezirkulationskanal Frischluft aufwärts an dieser Stelle vorbei und erhöht dadurch den maximalen Volumenstrom.
Es gibt Verdichtergehäuse mit graden als auch abgekröpftem Druckstutzen.
Damit das Verdichterrad frei im Verdichtergehäuse rotieren kann, wird ein Spalt zwischen Laufrad und Gehäuse benötigt. Da in der Regel nach dem Verdichterrad ein höherer Druck als
vor dem Verdichterrad herrscht, befindet sich zwischen beiden Zuständen eine Druckdifferenz. Durch den Spalt fließt daher ein sogenannter Leckstrom in Richtung des Druckgefälles,
also wieder zurück zum Laufradeintritt. Diese dort am Verdichter auftretenden Energieverluste werden auch Spaltverluste genannt. Sie stehen besonders in Abhängigkeit der
Fertigungsqualität, Wärmedehnung, Lagerspiel und der Wellendurchbiegung, angeregt durch die Restunwucht des Laufzeugs. Um diese Verluste einzudämmen gibt es mehrere Lösungsansätze.
Erstmals im Einsatz ist die aus der Luftfahrt stammende Nullspalt-Anstreifdichtung zwischen dem Diffusor und den Schaufelenden des Golf Vll R Turboladers von IHI. Sie besteht aus
einer vollständig aus einer meist aufgeschäumten, metallischen, korrosionsbeständigen und geschlossenporigen Hochtemperaturlegierung.
Verdichterrad
Die Verdichterräder der Turbolader sind Radialverdichter. Die Luft wird durch die Drehung des Verdichterrades axial angesaugt und im Rad auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt.
Die so beschleunigte Luft verlässt das Verdichterrad radial in Richtung Diffusor. Im Diffusor wird diese kinetische Energie in Druckenergie gewandelt. Dazu wird die Strömung verzögert,
Druck und Temperatur steigen nahezu verlustfrei an. Erreicht wird dies durch die stetige Erweiterung des Strömungsquerschnitts innerhalb des Spiralgehäuses, wo die Luft gesammelt und die
Geschwindigkeit bis zum Verdichteraustritt reduziert wird.
Die meisten Verdichterräder sind aus Aluminium im Feingussverfahren gegossene Verdichterräder.
Für höhere Beanspruchungen werden geschmiedete, gefräste Verdichterräder aus Aluminium oder Titan verwendet. In der Vergangenheit wurden auch Verdichterräder aus Nylon verwendet
was sich allerdings nicht durchsetzen konnte. Im Tuningbereich kommen zu 99,9% günstige gefräste Verdichterräder aus Asien zum Einsatz. Aufwendiger hergestellte Verdichter
erkennt man am sogenannten Point-Mill Herstellungsverfahren. Hierbei lassen sich bessere Konturen herstellen. Bei den Tuning Rädern aus Asien spielt das Verfahren bis heute
keine große Rolle, da die Räder dort nicht berechnet werden.
Betriebsverhalten Verdichterrad
Kennfeldbreite
Bei Radialverdichtern wird das Betriebsverhalten regelmäßig durch Kennfelder beschrieben, bei denen das Druckverhältnis über den durchgesetzten Volumen- bzw. Massenstrom
dargestellt ist. Der Arbeitsbereich im Kennfeld von Strömungsverdichtern ist auf der einen Seite begrenzt durch die Pumpgrenze, auf der anderen Seite durch die Stopfgrenze (Kennfeldbreite) sowie
die maximal zulässige Drehzahl des Verdichters.
Pumpgrenze
Die Pumpgrenze trennt im Verdichterkennfeld die Bereiche stabiler und instabiler Strömungszustände. Das Verhalten des Verdichters wird als instabil bezeichnet, wenn eine
zyklische Rückströmung der Ansaugluft vorliegt. Der Umschlagpunkt ist eine Funktion des Massenstroms und des Totaldruckverhältnisses.
Stopfgrenze
Die Stopfgrenze einer Kennlinie ist der maximal mögliche Volumenstrom, bzw. Massenstrom bei Verringerung des Druckes am Verdichteraustritt. Hierbei wird bei ausreichend
hohen Drehzahlen im engsten Querschnitt der Verdichters Schallgeschwindigkeit erreicht. Diese kritische Strömungsfläche kann sich entweder im Strömungskanal des Laufrades
oder des Diffusors befinden. Das „Stopfen“ tritt häufig erst nach Verlassen des Verdichterrades auf. Bei niedrigen Drehzahlen begrenzt der Leitungswiderstand den größtmöglichen
Volumenstrom.
Verdichterkennfeld Turbolader
Turbine - Bauarten und Funktion
Die Turbine eines Turboladers besteht aus dem Turbinenrad und dem Turbinengehäuse (Abgasgehäuse). Die Turbine wird von den Motorabgasen angetrieben und treibt über eine Welle das Verdichterrad an.
Die Abgase werden im Turbinengehäuse vom Gaseintritt bis zum Turbinenrad aufgestaut. Dieses so entstehende Druck- und Temperaturgefälle wird in der Turbine in kinetische Energie
umgesetzt, die das Turbinenrad antreibt.
Bei Turboladern kommen zwei Turbinenarten zum Einsatz:
- Radialturbinen
- Axialturbinen
Die Durchströmung von Radialturbinen geschieht radial von außen nach innen einströmend und anschließend nach außen ausströmend in axialer Richtung (Zentripetal).
Radialturbinen werden bis zu einer Motorleistung von ~1000 kW verwendet. Diese Bauart deckt somit fast alle Anwendungen in Pkw-, Nutzfahrzeug- und Industriemotoren ab.
Bei Axialturbinen wird das Turbinenrad axial von den Gasen durchströmt.
Turbinenrad
Im Turbolader am höchsten belastet ist das Turbinenrad. Die hohen Umfangsgeschwindigkeiten sowie die hohen Abgastemperaturen von bis zu 1100°C belasten das Abgasrad extrem.
Für viele Jahre war die Hochfeste Nickelbasislegierung IN713C der meistgenutzte Werkstoff. Die maximale Betriebstemperatur von Inconel 713C liegt bei ungefähr 980°C (1976°F).
Für Applikationen wo eine Temperaturbeständigkeit oberhalb von 980°C (1976°F) gefordert wird kommen die Werkstoffe Mar-M246 und Mar-M247 zum Einsatz.
Hergestellt werden die Turbinenräder im Vakuum Feinguss verfahren. Die Welle wird im weiteren Fertigungsprozess mit dem Turbinenrad im Vakuum Elektronenstrahl-verschweißt.
Betriebsverhalten
Die Leistung einer Turbine ist abhängig vom Druckgefälle zwischen Eintritt und Austritt. Die Turbinenleistung nimmt zu, wenn die Drehzahl des Motors oder dessen Abgastemperatur steigt.
Je kleiner die Turbine, um so früher spricht diese an, die maximal mögliche Motorleistung sinkt. Die Turbinengröße lässt sich durch Wechseln des Turbinengehäuses einfach ändern.
Die "verstellbare" VNT / VTG Turbine bringt im Gegensatz zur normalen Turbine einen guten Wirkungsgrad über den gesamten Drehzahlbereich. Dies wird durch verstellbare
Leitschaufeln möglich, die den Abgasstrom über das Turbinenrad führen.
Motordrehzahl niedrig und hoher Ladedruck gewünscht:
Der Querschnitt des Abgasstromes wird vor dem Turbinenrad mit Hilfe von Leitschaufeln verengt. Da das Abgas durch den verengten Querschnitt schneller strömen muss, wird das
Turbinenrad schneller gedreht. Dadurch wird auch bei niedriger Motordrehzahl der benötigte Ladedruck erzielt.
Motordrehzahl hoch:
Der Querschnitt des Turboladers ist dem Abgasstrom angepasst. Die Leitschaufeln geben einen größeren Eintrittsquerschnitt frei, um den benötigten Ladedruck nicht zu überschreiten.
Abgasgehäuse
Die Abgasgehäuse von Garrett und BorgWarner sind aufwendig konstruierte Hochleistungsbauteile, in jeglicher Hinsicht.
Bei den Gehäusen kommen 2 Hauptbauarten zum Einsatz. Das Single Scroll (einflutige) und das Twin Scroll (zweiflutige) Abgasgehäuse.
Schon bei der Konstruktion der Gehäuse wird unter anderem ein Berstschutz mit integriert. Dies ist besonders wichtig, da im Falle eines Überdrehschadens oder Ermüden des
Turbinenrades bei den hohen Temperaturen und extremen Drehzahlen der Läuferwelle, das Rad durch die auftretenden Zentrifugalkräfte zerplatzen kann. Dies ist nicht unbedingt
ungefährlich, da das Abgasrad mit Umfangsgeschwindigkeiten von über 2000 km/h unterwegs ist. Das Abgasgehäuse hat also auch die Funktion diese Bruchstücke daran zu hindern
nach außen zu gelangen. Diese abgebrochenen Bruchstücke tragen eine hohe kinetische Energie mit sich, die beim Einschlagen in das Gehäuse Sicherheitsprobleme verursachen.
Das Gehäuse muss stark genug sein um diese Fragmente in sich aufzunehmen.
Das Material der Abgasgehäuse unterscheidet sich je nach der Art der Anwendung. Beim Dieselmotor bestehen die Gehäuse oftmals aus hochlegierten Sphäroguss-Sorten wie D2 und D5.
Beim Ottomotor werden wegen der sehr hohen Abgastemperaturen austenitische Stahlgusssorten mit hohen Ni-Cr-Gehalten verwendet. Eine Limitierung der Aufladung liegt beim Ottomotor
in der Beschränkung der Werkstoffe der Abgasgehäuse und der damit verbundenen maximalen Abgastemperatur. So sind volutengetrennte (Twin Scroll) Gehäuse durch den thermisch hoch
beanspruchten innenliegenden Trennsteg auf maximale Abgastemperaturen von 980°C begrenzt. Single Scroll Abgasgehäuse hingegen sind bis 1050°C temperaturfest.